Homocystein

Homocystein ist ein Zwischenprodukt des Aminosäurestoffwechsels und entsteht beim Abbau von Methionin zu Cystein. Störungen dieses Stoffwechselweges liegen zum einen bei der sehr seltenen autosomal-rezessiv vererbten Homocystinurie vor, zum anderen aber auch bei ca. 5 - 10 % der Bevölkerung, die erhöhte Homocysteinspiegel im Blutplasma (Hyperhomocysteinämie) aufweisen. Viele Studien haben darauf hingewiesen, dass ein erhöhtes Homocystein ein Risikofaktor für Atherosklerose und venöse Thrombembolien ist. Häufige reversible und einfach therapierbare Ursachen erhöhter Homocysteinspiegel sind ein Mangel an Folsäure sowie der Vitamine B2, B6 und B12.

Download Diagnostikinformation

Klinische Bedeutung

Homocystein ist ein demethyliertes Zwischenprodukt der wechselseitigen Umwandlung von Methionin und Cystein. Es wird von Cystein kommend in Abhängigkeit von Folsäure, Vitamin B2 und Vitamin B12 zu Methionin remethyliert oder Vitamin B6-abhängig über Zwischenschritte von Methionin zu Cystein demethyliert. Erhöhte Blutspiegel von Homocystein können eine Folge sein von

  • genetischen Varianten der beteiligten Stoffwechselenzyme
  • einem Mangel der Kofaktoren Folsäure bzw. Vitamin B2, B6 und B12
  • der Einnahme von Medikamenten (z. B. Folsäureantagonisten wie Methotrexat, Trimethoprim und Antiepileptika, bzw. Fibrate oder Nikotinsäure), oder auch
  • Rauchen
  • chronischem Nierenversagen
  • höherem Lebensalter, vor allem bei Frauen.

Homocystein übt direkt atherogene und prothrombotische Eigenschaften aus, die u.a. durch Leukozytenrekrutierung, LDL-Aggregate, Proliferation von Glattmuskelzellen/ Kollagen, Aktivierung von Gerinnungsfaktoren/ Thrombozyten, oxidativen Stress, Inhibierung der NO-Synthetase oder Interferenz mit der DNA-Methylierung vermittelt werden.

Hohe Homocysteinspiegel sind neben Hypercholesterinämie, Rauchen, Diabetes mellitus und Bluthochdruck ein eigenständiger Risikofaktor für koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt und Schlaganfall. Hohe Homocysteinspiegel sind im Zusammenspiel mit weiteren Gerinnungsstörungen (z.B. Faktor V Leiden oder Prothrombin Mutation) ein Risikofaktor für pulmonale Embolien und tiefe Beinvenenthrombosen. Mutationen der Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR), die zu hohen Homocysteinspiegeln führen, waren außerdem mit einem gesteigerten Risiko für Schwangerschaftskomplikationen bzw. fetalen/ embryonalen Fehlentwicklungen assoziiert. Erhöhte Homocysteinspiegel könnten auch einen Risikofaktor für dementielle Erkrankungen bzw. für Osteoporose darstellen.

 

Methode

Die Labordiagnostik des Homocysteinspiegels erfolgt mittels einer enzymatischen Absorbtionsmessung. Homocystein wird durch die Cystathionin-Beta-Synthase (CBS) bei Serin-Überschuss in Cystathionin umgewandelt, welches im Anschluß durch die Cystathionin-Beta-Lyase (CBL) zu Pyruvat abgebaut wird. Pyruvat wird durch die Lactatdehydrogenase (LDH) zu Lactat umgewandelt, wobei Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (NAD) als Coenzym fungiert. Die Umwandlung von NADH in NAD+ ist direkt proportional zur Homocysteinkonzentration und wird bei 340 nm gemessen.

 

Diagnostisches Vorgehen

Indikationen zur Bestimmung des Homocysteinspiegels sind:

  • präventive Abklärung für ein Arteriosklerose- und Thromboembolie-Risiko
  • Abklärung einer Risikoschwangerschaft
  • Verdacht auf Vitamin B12-, B6-, B2-, Folsäure-Mangel
  • Verdacht einer neurodegenerativen Erkrankung
  • Verdacht auf eine genetisch bedingte Hyperhomocysteinämie.

Zur weiteren Abklärung der genauen Ursache können bei pathologischen Werten genetische Untersuchungen hinsichtlich Mutationen im MTHFR-, CBS- und/ oder MS-Gen, sowie Bestimmungen der Vitamine B2, B6 und B12 bzw. des Folsäurespiegels erfolgen.

 

Anforderung und Befundbewertung

Bitte vermerken Sie auf dem Anforderungsschein „Homocystein“. Die Bewertung beinhaltet die Interpretation der Konzentrationen von Homocystein in Bezug auf die Referenzwerte unter Berücksichtigung der angegebenen klinischen Informationen.

 

Abrechnung

Die Bestimmung des Homocysteinspiegels ist ohne Einschränkung im Leistungsspektrum des EBM und der GOÄ enthalten. Genetische Untersuchungen sind grundsätzlich privatärztlich möglich und bei spezifischen Indikationen auch im Leistungsspektrum des EBM enthalten.

 

Material

Die Bestimmung von Homocystein erfolgt aus 0,5 ml saurem Citratplasma. Nur in diesem Material ist eine Probenstabilität für den Transport in das Labor am gleichen Tag gewährleistet, da die anhaltende Homocystein-Synthese in Erythrozyten minimiert wird. Nur in Ausnahmefällen kann als Material Serum verwendet werden, da Homocystein unter diesen Bedingungen in Erythrozyten anhaltend synthestisiert wird, was sehr rasch zu falsch hohen Messwerten führt. In diesem Fall ist die Blutprobe sofort auf Eis zu kühlen und innerhalb von 30 Minuten (in der Praxis) zu zentrifugieren. Das separierte Serum sollte im Anschluss zum Versand tiefgefroren werden; der Versand sollte ebenfalls gefroren erfolgen.

 

Referenzbereiche

Der Normwert von Homocystein im sauren Citratplasma und Serum liegt bei 10 µmol/l.

 

Einflussgrößen

Vor Durchführung der Diagnostik sollte eine Nahrungskarenz von 10-12 Stunden eingehalten werden.

Fazit

  • Erhöhte Homocysteinspiegel (Hyperhomocysteinämie) sind ein eigenständiger Risikofaktor für Atherosklerose und venöse Thrombembolien.
  • Risikoabklärung für Arteriosklerose, Thromboembolie oder Risikoschwangerschaft, Verdacht auf eine neurodegenerative Erkrankung oder eine genetisch bedingte Hyperhomocysteinämie sind Indikationen zur Bestimmung des Homocysteinspiegels.
  • Latenter oder manifester Vitamin B12-, B6-, B2- und Folsäure-Mangel sind häufige und reversible Ursachen erhöhter Homocysteinspiegel.
  • Als Untersuchungsmaterial sollte 0,5 ml saures Citratplasma verwendet werden, da sonst Homocystein aus Erythrozyten den Messwert fälschlich erhöhen kann.

Stand: Juni 2018

Literatur

  1. McCully KS (1996). Homocysteine and vascular disease. Nat Med 2:386-389
  2. Frosst P, Blom HJ, Milos R, Goyette P, Sheppard CA, Matthews RG, Boers GJ, den Heijer M, Kluijtmans LA, van den Heuvel LP (1995). A candidate genetic risk factor for vascular disease: a common mutation in methylenetetrahydrofolate reductase. Nat Genet 10:111-113
  3. Perry IJ, Refsum H, Morris RW, Ebrahim SB, Ueland PM, Shaper AG (1995). Prospective study of serum total homocysteine concentration and risk of stroke in middle-aged British men. Lancet 346:1395-1398
  4. Tietz Textbook of Clinical Chemistry and Molecular Diagnostics, 6th edition, Elsevier, 2017
  5. Fiskerstrand T1, Refsum H, Kvalheim G, Ueland PM (1993). Homocysteine and other thiols in plasma and urine: automated determination and sample stability. Clin Chem 39:263-271.
  6. Ueland PM, Refsum H, Stabler SP, Malinow MR, Andersson A, Allen RH (1993). Total homocysteine in plasma or serum: methods and clinical applications. Clin Chem 39:1764-1779.

Autor

Dr. med. Dr. rer. nat. Leif Gerrit Hommers