Antithrombin, Protein C und Protein S als physiologische Inhibitoren des Gerinnungssystems

Störungen im Bereich von Gerinnung und Fibrinolyse können zu Erkrankungen wie z.B. Thrombosen, Embolien, gehäuften Aborten führen. Die Diagnostik der so genannten Inhibitoren des Gerinnungssystems, Eiweißen, die das Gerinnungssystem bremsen, ist ein wichtiger Bestandteil der Ursachenermittlung und Grundlage einer gezielten Therapie.

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Einleitung

Die Gerinnung im Körper würde eskalieren, wenn sie nicht auf den Ort begrenzt bliebe, wo sie aufgrund eines externen oder internen Reizes ausgelöst wird. Diese Aufgabe übernehmen die physiologischen Inhibitoren. Die bedeutsamsten Vertreter dieser Inhibitoren sind Antithrombin (AT), Protein C und Protein S. Die genannten Eiweiße hemmen oder spalten wesentliche aktivierte Gerinnungsfaktoren und bremsen somit das Gerinnungssystem wieder.

Messung von Konzentration und Aktivität der Inhibitoren

Prinzipiell besteht die Möglichkeit, die genannten Inhibitoren mengenmäßig, sowie auch hinsichtlich ihrer physiologischen Aktivität zu erfassen. Diese beiden Parameter Konzentration/Antigenmenge und Aktivität müssen sich dabei nicht gleich verhalten. Genetisch bedingt oder erworben kann es zwischen Konzentration und Aktivität eines dieser Parameter relevante Diskrepanzen geben. Dies hat Auswirkungen auf die Diagnostik und Klinik von Erkrankungen.

Antithrombin

AT wird in der Leber synthetisiert. Seine Aufgabe ist hauptsächlich die Hemmung von Thrombin (IIa) und des Faktors Xa. Darüber hinaus werden auch weitere Serinproteasen der plasmatischen Gerinnung (IXa, XIa, XIIa) gehemmt. Heparin steigert die Wirkung von AT deutlich. Klinische Auswirkung eines AT Mangels ist ein bis zu 50fach erhöhtes Risiko für venöse Thrombosen. Der Mangel an AT kann vererbt werden oder erworben sein (Tabelle 1). Auch kann AT unter einer laufenden Heparintherapie vermindert sein.

Um Störungen im Bereich der Inhibitoren effizient zu diagnostizieren, kann wie folgt vorgegangen werden (Tabellen 2, 4, 6).

Tabelle 1: Formen und Ursachen einer AT III Störung

AT Mangel Ursache Bemerkung
Erworben Leberzirrhose Risikosteigerung durch Schwangerschaft, Rauchen, Kontrazeptiva
Nephrotisches Syndrom
Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)
Genetisch bedingt SERPINC1-Gen
(Prävalenz 1:500 bis 1:5000, Vererbung
autosomal dominant)
Typ I: Konzentration und Aktivität sind vermindert
Typ II: Konzentration ist normal, Aktivität ist vermindert

Tabelle 2: Möglicher diagnostischer Pfad AT Defizienz

Protein C

Protein C wird unter Mithilfe von Vitamin K in der Leber synthetisiert. Es hat neben der inhibitorischen Wirkung auf Serinproteasen (Gerinnungsfaktor IIa, Va, VIIIa) auch eine profibrinolytische und entzündungshemmende Wirkung. Das aktivierte Protein C (APC) wirkt im Komplex mit Protein S, wobei Protein S die Wirkung von Protein C steigert. Klinische Auswirkungen bei Protein C-Defizienz sind erheblich gesteigerte Risiken u.a. für venöse Thromboembolien, Lungenembolie, tiefe Beinvenenthrombose. Bei schwerer Mangelsituation kann es zur Purpura fulminans, Hautnekrosen, DIC führen. Ein Protein C Mangel kann ebenso vererbt werden oder erworben sein (Tabelle 3).

Tabelle 3: Formen und Ursachen einer AT III Störung

Protein C Mangel Ursache Bemerkung
Erworben Leberzirrhose Risikosteigerung durch Schwangerschaft, Rauchen, Kontrazeptiva, Immobilisation, Alter, Übergewicht
Vitamin K Mangel (Ernährung, Falithrom/Marcumar)
DIC
Genetisch bedingt PROC Gen
(Vererbung autosomal rezessiv)
Typ I: Konzentration und Aktivität sind vermindert
Typ II: Aktivität ist vermindert

Tabelle 4: Möglicher diagnostischer Pfad einer Protein C Defizienz

Auswirkung einer Defizienz ist ein gesteigertes Risiko für venöse Thromboembolien.

Indikation zur Bestimmung

Abschätzung des Risikos für venöse Thrombosen, Lungenembolien und Schwangerschaftskomplikationen (Aborte, plazentare Minderperfusion etc.).
Können bei Defizienz eines Inhibitors erworbene Ursachen nicht sicher als einzige Ursache ausgeschlossen werden, ist bei Kinderwunsch die u.g. weitere genetische Diagnostik anzuraten.

Diagnostische Hinweise

Die genetische Diagnostik der SERPINC1-, PROC- und PROS1-Gene wird in unserem Partnerlabor, dem Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik MVZ Martinsried, durchgeführt. Ein homozygoter Defekt der Inhibitoren ist in der Regel nicht mit dem Leben vereinbar. Bei homozygotem Protein C- und S-Mangel ist das klinische Korrelat die neonatale Purpura fulminans.
Gegebenenfalls wird für die Untersuchungen SERPINC1-, PROC- und PROS1-Gen empfohlen, eine Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse einzuholen.

Tabelle 5: Formen und Ursachen einer Protein S Defizienz

Protein S Mangel Ursache Bemerkung
Erworben Leberzirrhose Risikosteigerung durch Schwangerschaft, Rauchen, Kontrazeptiva
Vitamin K-Mangel (Ernährung, Gabe Falithrom/Marcumar), orale Kontrazeption, Schwangerschaft, post partum, Hormonersatztherapie
Entzündung, Sepsis, Verbrennung
DIC
Genetisch bedingt PROS1 Gen
(Vererbung autosomal rezessiv)
Typ I: Konzentration gesamtes und freies
Protein S und Aktivität vermindert
Typ II: Konzentration gesamtes und freies Protein S normal bei verminderter Aktivität
Typ III: Konzentration freies Protein S und Aktivität vermindert bei normaler Konzentration Gesamt Protein S

Tabelle 6: Möglicher diagnostischer Pfad Protein S Defizienz

Tabelle 7: Material und Präanalytische Hinweise

AT (Aktivität, Konzentration) Protein C (Aktivität, Konzentration) Gesamt Protein S (Konzentration, Aktivität) freies Protein S (Konzentration) Citratblut oder
-plasma
Präanalytik beachten (keine Stauung, exaktes Mischungsverhältnis beachten, schneller Transport in das Labor, bei längerem Transport Plasma abtrennen und tiefgefroren versenden)
AT Gen (SERPINC1) EDTA Blut Für genetische Analysen immer separates Material einsenden, Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich
Protein C Gen (PROC)
Protein S Gen (PROS1)

Stand: März 2024

Literatur

Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik (MVZ) Dr. Klein, Dr. Rost und Kollegen:
Leistungsverzeichnis 6. Auflage 2020 Barthels, Monika; von Depka, Mario: 2003 Das Gerinnungskompendium - Schnellorientierung, Befundinter­pretation, klinische Konsequenzen

Autor

Dr. Frank-Peter Schmidt (IHP Institut für Hämostaseologie und Pharmakologie MVZ GmbH)
Das IHP ist ein spezialisiertes humanmedizinisches Facharztlabor in Berlin mit der Ausrichtung auf Diagnostik der Blutungsneigung und Thrombose, der Missbrauchsanalytik und der Pharmakologie.

Prof. Dr. Berthold Hoppe (Hämostaseologicum Mitte)
Das Hämostaseologicum Mitte ist ein fachärztliches Zentrum für Patienten mit Gerinnungsstörungen wie Throm- bosen, Blutungen und Mikrozirkulationsstörungen.