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Tri- und Tetrazyklische Antidepressiva (TZA)

Tri- und Tetrazyklische Antidepressiva (TZA) sind weiterhin in der modernen antidepressiven Therapie wichtige Eck­pfeiler. Für Amitriptylin und Mirtazapin gibt es anhand mehrerer Metaanalysen Hinweise auf einen Wirkvorteil gegenüber anderen Antidepressiva. Die antidepressive Wirkung, aber auch das Risiko für schwere unerwünschte Wirkungen, wie z. B. Herzrhythmusstörungen oder anticholinerge Symptome, korrelieren mit dem Serumspiegel der Wirkstoffe. ­Therapien unter Kontrolle des therapeutischen Wirkspiegels erlauben ein schnelleres und sichereres Erreichen des therapeutischen Zieles, woraus sich eine gesteigerte Remissionsrate bei Optimierung der Verträglichkeit ergibt.

Allgemeine Regeln zur Wirkstoffspiegel-Bestimmung

Medikamentenspiegel sollten prinzipiell im Steady State (Fließgleichgewicht) und Talspiegel bestimmt werden. Ein Steady State wird nach Ablauf von 5 Eliminations-Halbwertzeiten des verabreichten Wirkstoffes erreicht. Den Talspiegel erreichen Sie mit einer Blutabnahme unmittelbar vor erneuter Medikamenteneinnahme.

Insbesondere wird eine Bestimmung des Wirkstoffspiegels im Serum angeraten bei:

  • fehlendem, vermindertem oder verzögertem Therapieerfolg
  • erneuter Symptomverschlechterung
  • Fragen hinsichtlich der Patientencompliance
  • Komorbiditäten
  • unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder Anzeichen toxischer Wirkungen
  • Polymedikation bzw. Verdacht auf Arzneimittelinteraktionen
  • Verdacht auf genetische Polymorphismen im Arzneimittelstoffwechsel.

Wirkung

Tri- und tetrazyklische Antidepressiva hemmen eine Vielzahl synaptischer Transportproteine und Rezeptoren in jeweils unterschiedlichem Ausmaß, wodurch sich charakteristische pharmakologische Eigenschaften für jede Substanz ergeben. Für die antidepressive Wirkung scheinen folgende Mechanismen besonders relevant zu sein:

  • Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin und Imipramin hemmen zusammen mit ihren aktiven Metaboliten die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt
  • Maprotilin, Mianserin und Nortriptylin hemmen die Wiederaufnahme von Noradrenalin im synaptischen Spalt
  • Mirtazapin, Mianserin, Trimipramin bzw. auch Doxepin hemmenadrenerge und serotonerge Autorezeptoren an Synapsen.

Vor allem Doxepin, Trimipramin und Mirtazapin, sowie Amitriptylin, Maprotilin und Mianserin haben antihistaminerg sedierende Wirkungen. Orthostatische Dysregulation und anticholinerge Symptome sind typische Nebenwirkungen, die die Compliance einschränken, wo bei diese bei Mirtazapin (und auch Maprotilin) am geringsten ausgeprägt sind. Die Hemmung kardialer Ionenkanäle führt insbesondere bei trizyklischen Antidepressiva in höheren Serum-Konzentrationen zu einem relevanten Anstieg des Risikos für Herzrhythmusstörungen.

Die antidepressive Wirkung ist ab mittelschweren Depressionen wissenschaftlich gesichert. Wie bei jeder antidepressiven Therapie setzen unerwünschte Wirkungen (wie z. B. Sedierung oder anticholinerge Symptome) vor der, um ca. 1-3 Wochen verzögerten, antidepressiven Wirkung ein.

Pharmakokinetik

Nach oraler Gabe werden tri- und tetrazyklische Antidepressiva mit maximalen Serumkonzentrationen innerhalb von 2-8 Stunden resorbiert. Die Elimination er­folgt vorwiegend hepatisch, wobei wiederum ak­tive Metabolite entstehen können, die auch als Medikament eingesetzt werden (z. B. Nortripytlin).

Die klinisch relevanten Details zu Pharmakokinetik, Wirkspiegel und Enzyme des Metabolismus sind in Tabelle 1 dargelegt.

Tabelle 1
Wirkstoff
Muttersubstanz - Metabolit
Therapeutischer Bereich
Eliminations-
Halbwertzeit
Frühester Zeitpunkt des Steady State
Hauptenzyme des
Stoffwechsels
(inklusive Metabolite)
Amitriptylin Amitriptylin Σ 80 – 200 µg/l**> 10 - 28 h 7 - 14 d* CYP2C19, CYP2D6
Amitriptylin Nortriptylin Σ 80 – 200 µg/l**> 18 - 44 h 7 - 14 d* CYP2C19, CYP2D6
Clomipramin Clomipramin Σ 230 – 450 g/l** 16 - 60 h 7 - 14 d* CYP2C19, CYP2D6
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* CYP2C19 und CYP2D6 zeigen bei ca. 10% der Bevölkerung klinisch relevante genetische Polymorphismen, die die Enzymaktivität deutlich steigern oder vermindern. Die Zeit bis zum Steady State kann daher deutlich kürzer oder länger sein.
** Der Wirkspiegel bezieht sich auf die Summe aus Muttersubstanz und aktivem Metaboliten.

Arzneimittelinteraktionen

Tri- und tetrazyklische Antidepressiva werden überwiegend durch Cytochrom CYP450-Enzyme hepatisch metabolisiert, woraus ein hohes Interaktionspotential resultiert. Im Gegensatz zu SSRI/ SSNRI sind sie aber keine klinisch relevanten Inhibitoren dieser Enzyme.

Medikamente, die durch Inhibition oder Induktion von Cytochrom CYP450-Enyzmen zu Interaktionen führen können, sind:

  • Inhibitoren von CYP1A2 (insbesondere Fluvoxamin, sowie Ciprofloxacin, Perazin, Stiripentol, Vemurafenib und weitere)
  • Induktoren von CYP1A2 (insbesondere Rauchen, sowie Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Ritonavir, Rifampicin und weitere)
  • Inhibitoren von CYP2C19 (insbesondere Fluconazol, sowie Fluoxetin, Fluvoxamin, Moclobemid, (Es)Omeprazol, Stiripentol, Voriconazol und weitere)
  • Inhibitoren von CYP2D6 (insbesondere Fluoxetin, Paroxetin, Chinidin, Tipranavir, sowie Bupropion, Cinacalcet, Darifenacin, Darunavir, Duloxetin, Levomepromazin, Moclobemid, Melperon, Rolapitant, Thioridazin und weitere)
  • Induktoren von CYP3A4, bzw. CYP2C19 (insbesondere Carbamazepin, Enzalutamid, Lumacaftor, Mitotan, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon, Rifampicin, sowie Bosentan, Modafinil, Eslicarbazepin, Efavirenz, Oxybutinin, Johanniskraut und weitere).

Pharmakodynamische Interaktionen können sich durch die sedierenden und proarrhythmischen Wirkungen insbesondere mit folgenden Substanzen ergeben: Alkohol, ältere Antihistaminika, Barbiturate, Benzodiazepine, Hypnotika, Makrolide, Chinolone, Amiodaron, Flecainid und Propafenon. Clonidin sollte wegen seiner prodepressiogenen Wirkung nicht gleichzeitig eingesetzt werden.

Genetik der Medikamentenverstoffwechselung (Pharmakogenetik)

Tri- und tetrazyklische Antidepressiva werden insbesondere durch CYP2C19 und CYP2D6 der CYP450-Familie verstoffwechselt. Für diese Enyzme sind bei bis zu 10% der Bevölkerung genetische Varianten beschrie­ben, die zu einer klinisch relevanten Steigerung oder Verminderung der Enzymaktivität führen. Somit zeigen die Halbwertszeiten eine hohe individuelle Streuung. Auch ohne weitere Arzneimittelinteraktionen können daher unter hohen Standarddosen toxische Wirkspiegel aufgebaut werden, was durch therapeutisches Drug Monitoring zuverlässig verhindert wird.

Anforderung und Befundbewertung

Die Bewertung von Wirkstoffspiegeln beinhaltet sowohl die Interpretation der Konzentrationen in Bezug auf den emp­fohlenen therapeutischen Bereich als auch die Beurteilung der applizierten Dosis, der Begleitmedikation und weiterer Erkrankungen. Um die dafür notwendigen Informationen zu erhalten, bitten wir Sie deshalb, den speziellen Anforderungsschein für Medikamentenspiegelbestimmungen zu verwenden. Es werden methodenbedingt mit einer Anforderung alle aufgeführten Wirkstoffe in einer Gruppe analytisch erfasst, mit Ausnahme von Mirtazapin, Mianserin und Opipramol (vgl. Tabelle 1).

Material und Abrechnung

Die Medikamentenspiegelbestimmung ist im kurativen Fall ohne Einschränkung im Leistungsspektrum des EBM und der GOÄ enthalten. Pharmakogenetische Untersuchungen werden von privaten und bei einigen Indikationen (siehe Anforderungsschein Medikamentenspiegelbestimmung/Pharmakogenetik) auch von gesetzlichen Kassen getragen. Für die mitanalysierten Wirkstoffe entstehen keine Kosten.

Material

Wirkstoffbestimmung:
Serum/Vollblut (Blutentnahme im Steady state unmittelbar vor erneuter Medikamenteneinnahme)

Pharmakogenetik:
EDTA-Blut oder Schleimhautabstrich

Ansprechpartner

Ihre Ansprechpartner für die Wirkstoff­bestimmung und pharmakologische Bewertung:

Dr. med. Frank-Peter Schmidt
Dr. rer. nat. Steffen Bauer
Dr. med. Jakob Adler

Literatur

  1. Hiemke et al., Consensus Guidelines for Therapeutic Drug Monitoring in Neuropsychopharmacology: Update 2017, Pharmacopsychiatry, 2017
  2. S3 Leitlinien/ Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression 2015, AWMF-Register-Nr.: nvl-005
  3. Goodman and Gilman’s The Parmacological Basis of Therapeutics 12th Edition, McGrawHill, 2011
  4. Fachinformationen der Hersteller (Citalopram: Cipramil, Lundbeck, Stand 11/2014; Escitalopram: Cipralex, Lundbeck, Stand 01/2016; Fluvoxamin: Fevarin, Mylan, Stand 08/2015; Fluoxetin: Fluoxetin-TEVA, TEVA, Stand 08/2014; Paroxetin: Seroxat, GlaxoSmithKline, Stand 02/2015; Sertralin: Zoloft, Pfizer, Stand 06/2016; Duloxetin: Cymbalta, Lilly, Stand 01/2016; Venlafaxin: Trevilor retard, Pfizer, Stand 01/2016)

 

Autor

Dr. med. Dr. rer. nat. Leif Gerrit Hommers / Revision 2024 Dr. med. Frank-Peter Schmidt

 

Stand

März 2024

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