Thrombophilie beschreibt die Neigung des Körpers, im venösen bzw. kapillären Bereich zu schnell und/oder zu viele Gerinnsel zu bilden, bzw. diese nicht schnell genug und/oder nicht ausreichend abzubauen. Die Inzidenz der venösen Thrombophilie steigt mit zunehmendem Alter und wird mit durchschnittlich 1:1000 angegeben.
Es werden erworbene und angeborene Ursachen beschrieben. Eine strikte Einteilung in eine der Gruppen ist eigentlich nur für das Antiphospholipidsyndrom (APS) als erworbene und die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH), die Faktor-V-Leiden-Mutation, sowie die Prothrombin-Mutation 20210 als genetische Ursache möglich. Weitere Ursachen wie der Mangel an Antithrombin, sowie der Proteine C, S und Z haben sowohl genetische als auch erworbene Ursachen.
Das klinische Bild unterscheidet sich durch die Lokalisation der Thrombose. Beispielhaft kann es bei einer tiefen Beinvenenthrombose von klinisch stumm bis hin zur stark schmerzhaften bläulichen Beinschwellung variieren. Hier spielen sowohl die Ausdehnung als auch Lokalisation der Thrombose eine Rolle. Die meisten Symptome einer solchen Thrombose (Schwellung, Schmerz, Spannungsgefühl, bläuliches Hautkolorit oder vermehrte oberflächliche Venenzeichnung) sind unspezifisch.
Als weiteres Beispiel sei die Bildung von Thromben in der Plazenta genannt. Hier geht das klinische Bild von gehäuften Frühaborten bis zum fetalen Fruchttod.
Atypische Thrombosen wie z. B. in Blutgefäßen der Netzhaut (retinale Gefäße), großkalibrigen venösen Blutgefäßen im Gehirn (sog. Sinus) oder im Bereich der Pfortader zeigen ein entsprechend differentes, von den nachfolgenden Ausfällen geprägtes, klinisches Bild.
Die Muskelvenenthrombose bewirkt starke Schmerzen in Ruhe und beim Gehen, muss aber nicht zu relevanten D-Dimer Erhöhungen führen.
Das Antiphospholipidsyndrom kann durch die Beladung von Endothel- und Blutzellen als systemische Manifestation einer Thrombose betrachtet werden. Es werden Autoantikörper gegen Blut- und Gefäßendothelzellen gebildet. Diese müssen 12 Wochen nach dem Erstnachweis bestätigt werden. Die venösen Thromben treten je nach Ausmaß der Höhe und Anzahl der Antikörper drei bis zehnmal häufiger auf.
Eine dauerhaft erhöhte Faktor-VIII-Aktivität geht mit einer erhöhten Mortalität durch TVT oder LE einher.
Empfehlung zur Basis-Abklärung einer Thrombose:
Globalparameter Gerinnung/Entzündung/Stoffwechsel | CRP, D-Dimer, INR, PTT, Fibrinogen, kleines Blutbild, Homocystein, Fettstoffwechsel, HbA1c |
plasmatische Gerinnung | APC-Resistenz, Antithrombin (Aktivität), Protein C (Aktivität), Protein S (freies und Gesamtprotein-Aktivität), Faktor VIII, PAI-1 (Aktivität), v. Willebrand-Diagnostik |
genetische Diagnostik | Faktor II (20210 G>A), Faktor-V-Leiden, FSAP (1601 G>A) |
APS Diagnostik | Lupus-Antikoagulanz, Cardiolipin IgG und IgM Autoantikörper (AAK), Beta2-Glycoprotein IgG und IgM AAK |
Anders als in den klassischen diagnostischen Vorgehensweisen gibt es keinen diagnostischen Baum, der sich je nach dem Ergebnis weiter verzweigt. Die Ursachen für eine Thrombose sind zu vielgestaltig und oftmals unabhängig voneinander auftretend. Eine umfassende diagnostische Empfehlung zu geben, ist deshalb nur eingeschränkt möglich. Die oben beschriebene Basis-Diagnostik erfasst nur häufige Ursachen. Spätestens dann, wenn noch keine Krankheitsursache gefunden wurde, ist es in Zusammenarbeit mit dem klinischen Hämostaseologen zu empfehlen, weitere diagnostische Schritte zu veranlassen.
Empfehlung zur weiterführenden Diagnostik
plasmatische Gerinnung | Protein C (Konzentration), Protein S (Gesamt-Konzentration), Antithrombin (Konzentration), Gerinnungsfaktor (GF) IX, GF XI, GF XII, GF XIII, Protein Z, Plasminogen |
plasmatische Gerinnung | Faktor II (19911 A>G), Faktor V HR2 (6755A>G), PAI-1 (4G/5G), Fibrinogen alpha (6534 A>G), Fibrinogen beta (455 G>A), Fibrinogen gamma (10034 C>T), Faktor XIII (V34L), Faktor XIII A1 (C>A), Faktor XIII B (1952+144 C>G), eine Faktor- XIII-102-Mutation kann in Kombination mit einem Wildtyp von Fibrinogen β zu einer deutlich reduzierten Fibrinolyse führen, JAK2 V617F |
APS Diagnostik | Annexin V AAK, Prothrombin AAK, Phosphoglyceride AAK |
Auch bei frischen oder abgelaufenen Venenthrombosen und/oder Lungenembolien sollte zur Qualitätssicherung im Sinne einer Optimierung der Therapie bzw. einer sinnvollen Prävention diese von einem Hämostaseologen mitbeurteilt werden.
Das relative Risiko, gegenüber der Normalbevölkerung bei Vorliegen einer der nachfolgenden Störungen an einer Thrombose zu erkranken, ist wie folgt erhöht:
Faktor-V-Leiden G1691A heterozygot | 5- bis 10-fach |
Faktor-V-Leiden G1691A homozygot | 50- bis 100-fach |
Prothrombinmutation G20210A heterozygot | 3-fach |
Protein-C-Mangel | 7- bis 10-fach |
Protein-S-Mangel | 5- bis 11,5-fach |
Antithrombin-Mangel | 20- bis 50-fach |
APS | 9-fach |
Das gleichzeitige Auftreten voneinander unabhängiger Risikofaktoren, sowohl hämostaseologischen (wie Faktor-V-Leiden, Faktor-II-20210 usw.) als auch verhaltensbedingten (wie Rauchen, Übergewicht, Sportverletzungen usw.) und weiteren Erkrankungen (wie Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörung, Myokardinfarkt, Apoplex usw.) können das Gesamtrisiko deutlich erhöhen, da die Einzelrisiken multipliziert werden.
Ein Protein-Z-Mangel ist kein unabhängiger Thrombophiliefaktor, sondern steigert das Thromboserisiko bei vorliegenden Risikofaktoren um den Faktor 3, insbesondere bei einer Faktor-V-Leiden- oder Faktor-II-20210-Mutation oder Hyperhomocysteinämie. Es wirkt wie Heparin als körpereigener Stoff über eine Hemmung von Faktor Xa.
EDTA-Blut | genetische Diagnostik, Blutbild, HbA1c Bitte beachten Sie, dass für die genetische Diagnostik die Einwilligungserklärung nach GenDG und ein separates Röhrchen benötigt werden. |
Citratplasma | Lupusantikoagulanz, gesamte plasmatische Gerinnungsdiagnostik, Entzündungsdiagnostik |
Serum | Phospholipidautoantikörper, Fettstoffwechsel, Entzündungsdiagnostik |
Saures Citratplasma | Homocystein |
Die aufgeführten Leistungen sind Bestandteil von EBM und GOÄ. Bei umfangreicher Diagnostik insbesondere im Rahmen der GOÄ empfiehlt sich die vorherige Einholung einer Kostenübernahme.
Das Ziel einer Therapie besteht darin, das Risiko des Auftretens von Thrombosen zu vermindern. Neben der medikamentösen Intervention mit Antikoagulanzien wie Heparin, Vitamin-KAntagonisten und direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK), spielt die Vermeidung von Risikofaktoren eine große Rolle. Dazu zählen allgemeine Maßnahmen zum Lifestyle, wie die Vermeidung von Rauchen und Übergewicht, sowie die regelmäßige Bewegung und die ausreichende Flüssigkeitsaufnahme. Die Kompressionstherapie sollte zu Vermeidung eines postthrombotischen Syndroms und des Auftretens von Ulcera, insbesondere bei defekten Venenklappen mit peripheren Ödemen, unbedingt verordnet werden.
Bei Sticky Platelets, Plaques in den hirnversorgenden Arterien oder einer Atherosklerose in den Koronar- oder den Beinarterien sollten auch Thrombozytenaggregationshemmer, wie Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor verordnet werden. Wegen des hohen Blutungsrisikos sollte bei dieser Kombinationsbehandlung ein Hämostaseologe konsultiert werden, insbesondere beim Einsatz von Clopidogrel, da es sich um ein Prodrug handelt, welches erst nach der Leberpassage wirkt. Deshalb spielt insbesondere hier die Beurteilung von Arzneimittelinteraktionen eine große klinische Rolle.
Eine Therapie mit Antikoagulanzien sollte überwacht werden, um ein Höchstmaß an Wirksamkeit und ein Mindestmaß an Nebenwirkungen zu erzielen. In Abhängigkeit vom eingesetzten Medikament stehen labordiagnostische Parameter wie folgt zur Verfügung:
Medikamentengruppe | Überwachung mit | Bemerkung |
---|---|---|
Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon, Warfarin) | INR/Quick; ggf. Vitamin K | Regelmäßige Kontrollen sind aufgrund der Nebenwirkungen erforderlich |
Heparin, Fondaparinux | anti-Xa Aktivität, Blutbild | |
DOAK (Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban) | anti-Xa-Aktivität, spezifische Wirkspiegelbestimmung für Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban | Tal- und Peakspiegel (2 h nach Einnahme) erforderlich, Kontrolle Leber- und Nierenfunktion |
DOAK (Dabigatran) | spezifische Wirkspiegelbestimmung für Dabigatran | Tal- und Peakspiegel (2 h nach Einnahme) erforderlich, Kontrolle Nierenfunktion |
Thrombozytenaggregationshemmer (Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) | Induzierte Thrombozytenaggregation | Präanalytik beachten |
Die diagnostischen Besonderheiten einiger häufiger Ursachen für eine Thrombophilie sind in weiteren Diagnostikinformationen (APS, Inhibitoren der Gerinnung) des IHP ausführlich beschrieben.
Dr. Frank-Peter Schmidt (IHP Institut für Hämostaseologie und Pharmakologie MVZ GmbH)
Annett Jainz (IHP Institut für Hämostaseologie und Pharmakologie MVZ GmbH)
Prof. Dr. Dr. Holger Kiesewetter (Hämostaseologicum-Mitte)
Juli 2025