Antiepileptika sind eine wesentliche Säule der modernen Epilepsiebehandlung. Durch die Vielzahl der molekularen Wirkmechanismen können sie in Mono- oder Kombinationstherapie die Anfallshäufigkeit der meisten Epilepsiesyndrome bei guter Verträglichkeit nachhaltig senken. Mehrere Wirkstoffe zeigen außerdem eine gute Wirkung in der Therapie chronischer bzw. neuropathischer Schmerzen oder als Stimmungsstabilisatoren in der Therapie psychiatrischer Erkrankungen. Dies stellt für Carbamazepin, Gabapentin, Pregabalin und Valproinsäure wichtige Indikationen dar. Antiepileptika haben einen sehr engen therapeutischen Bereich und ihr Wirkspiegel wird durch zahlreiche Arzneimittelinteraktionen beeinflusst, insbesondere auch durch wichtige Vertreter der eigenen Wirkstoffklasse wie z. B. Carbamazepin oder Phenytoin. Daher erlauben nur Therapien unter Kontrolle des Wirkspiegels ein schnelles und sicheres Erreichen des therapeutischen Wirkspiegels bei Optimierung der Verträglichkeit.
Medikamentenspiegel sollten prinzipiell im Steady State (Fließgleichgewicht) und Talspiegel bestimmt werden. Ein Steady State wird nach Ablauf von 5 Eliminations-Halbwertzeiten des verabreichten Wirkstoffes erreicht. Den Talspiegel erreichen Sie mit einer Blutabnahme unmittelbar vor erneuter Medikamenteneinnahme. Insbesondere wird eine Bestimmung der Wirkstoffkonzentration im Serum angeraten bei:
Moderne Antiepileptika wirken über eine Hemmung der exzitatorischen und Steigerung der inhibitorischen neuronalen Aktivität. Auf molekularer Ebene wird dies über eine Vielzahl pharmakologischer Wirkmechanismen erreicht, wobei die einzelnen Wirkstoffe vereinfachend einem Hauptmechanismus zugeordnet werden können:
Aus den Wirkmechanismen lassen sich zum Teil aber auch unerwünschte Wirkungen ableiten, z.B. proarrhythmogene Eigenschaften durch Inhibition kardialer Ionenkanäle oder psychotische Symptome durch NMDA-/AMPA-Rezeptor-Antagonismus. Strukturell ähnliche Substanzen zeigen wiederum charakteristische Nebenwirkungen, z. B. Hyponatriämie bei Carbamazepin, Eslicarbazepin und Oxcarbazepin. Für einige Wirkstoffe sind seltene, aber schwere unerwünschte Wirkungen beschrieben worden, z. B. aplastische Anämie und Leberversagen bei Felbamat, bzw. Gesichtsfeldeinschränkungen bei Vigabatrin.
Nach oraler Gabe werden Antiepileptika meist rasch mit maximalen Serumkonzentrationen innerhalb von 1 – 4 Stunden resorbiert; Carbamazepin (Tmax ca. 9 Stunden) bzw. Oxcarbazepin und Rufinamid (Tmax ca. 6 Stunden) sind wesentliche Ausnahmen. Ein relevanter Einfluß von Nahrungsmitteln auf die Resorption ist für Rufinamid, Stiripentol und Sultiam beschrieben.
Die klinisch relevanten Details zu Pharmakokinetik, Wirkspiegel und Metabolismus sind in Tabelle 1 dargelegt.
Wirkstoff
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Muttersubstanz - Metabolit
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Therapeutischer Bereich
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Eliminations- Halbwertzeit |
Frühester Zeitpunkt des Steady State
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Hauptenzyme des Stoffwechsels (inklusive Metabolite) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Brivaracetam6 | Brivaracetam | 0,5 – 5,3 mg/l | 11 h | 2 d | Renal, CYP2C8 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Carbamazepin1 | Carbamazepin | 4 – 12 mg/l | 10 – 20 h | 5 d | CYP3A4, CYP2C8, CYP1A2, Pgp | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Carbamazepin1 | Carbamazepinepoxid | 4 – 12 mg/l | 10 – 20 h | 5 d | Epoxid-Hydrolase | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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* | Der Wirkspiegel bezieht sich auf die Summe aus Muttersubstanz und aktivem Metabolit. |
1,2,3,4,5,6 | Die Wirkstoffe werden methodenbedingt zugleich bestimmt. |
Oxcarbazepin und Eslicarbazepin wirken über die gleichen aktiven Metaboliten 10-OH-Carbazepin.
Literatur
Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Leif Gerrit Hommers / Revision 2024 Dr. med. Jakob Adler
Stand
März 2024