Eine immunsuppressive Therapie ist elementarer Bestandteil der modernen Transplantationsmedizin, Immunsuppressiva werden aber auch erfolgreich in weiteren Indikationsfeldern eingesetzt. Tacrolimus wird zum Beispiel dermatologisch als Salbe zur Behandlung des atopischen Ekzems eingesetzt, Everolimus ist zur Therapie des Mammakarzinoms, bzw. neuroendokriner Tumore, Nierenzellkarzinom, sowie der Tuberösen Sklerose mit Angiomyolipom oder subependymalen Riesenzellastrozytom zugelassen, Cyclosporin A auch bei endogener Uveitis, Glomerulonephritis/ nephrotischem Syndrom, rheumatoider Arthritis, Psoriasis oder atopischer Dermatitis.
Immunsuppressiva haben eine sehr enge therapeutische Breite und zeigen eine sehr große inter- und intraindividuelle Variabilität in der Pharmakokinetik bei hohem Interaktionspotential. Für die individuelle Dosisfindung ist daher eine regelmäßige Kontrolle der Wirkspiegel im Blut notwendig. Nur so kann gewährleistet werden, dass das Risiko für eine Transplantatabstoßung sowie für schwere Nebenwirkungen (z. B. Nephrotoxizität und Neurotoxizität) minimiert wird.
Die Bestimmung von Cyclosporin A, Tacrolimus, Sirolimus, Mycophenolsäure und Everolimus erfolgt in unserem Labor mittels Flüssigkeitschromatographie gekoppelt mit Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS). Diese Referenzmethode erlaubt die hoch spezifische Bestimmung der Wirksubstanz, ohne etwaige inaktive Metaboliten mit zu erfassen. Die Wirkspiegel können daher im Vergleich zu immunchemischen Methoden abweichen.
Medikamentenspiegel sollten prinzipiell im Steady State (Fließgleichgewicht) und Talspiegel bestimmt werden. Der Steady State wird nach Ablauf von 5 Eliminations-Halbwertzeiten des verabreichten Wirkstoffes erreicht. Den Talspiegel erreichen Sie mit einer Blutabnahme unmittelbar vor erneuter Medikamenteneinnahme.
Eine Bestimmung der Wirkstoffkonzentration ist generell zur individuellen Dosisfindung notwendig, um den indikationsspezifischen Wirkspiegel sicher und zuverlässig zu erreichen.
Eine Bestimmung der Wirkstoffkonzentration kann ferner durchgeführt werden bei:
Cyclosporin A (INN-Name Ciclosporin), Everolimus, Sirolimus und Tacrolimus unterdrücken die zelluläre Immunreaktion. Sie greifen insbesondere in Prozesse ein, die durch Interleukin-2 vermittelt werden.
Cyclosporin A und Tacrolimus sind Calcineurininhibitoren. Nach Bindung an intrazelluläre Proteine (Cyclosporin A an Cyclophilin, Tacrolimus an FKBP12) inhibieren sie die Phosphatase Calcineurin, wodurch vor allem die Aktivierung des T-Zell spezifischen Transkriptionsfaktor NFAT vermindert wird. In der Folge kann Interleukin-2 nur noch vermindert gebildet werden und die Expansion antigenspezifischer T-Lymphozyten bleibt aus.
Everolimus und Sirolimus sind mTOR („mammalian Target of Rapamycin“)-Inhibitoren, die die zelluläre Signalkaskade, die durch Interleukin-2 ausgelöst wird, unterdrücken. Sie binden zunächst an das interzelluläre Protein FKBP12, allerdings bildet sich im Gegensatz zu Tacrolimus dann ein inhibitorischer Komplex mit der Kinase mTOR. Letztlich wird die Aktivierung der S6-Kinase vermindert, was eine generelle Hemmung der zellulären Proliferation durch Zytokine oder Wachstumsfaktoren bedingt. Neben der Lymphozytenaktivierung und -expansion wird daher auch die Proliferation von Nichtimmunzellen gehemmt, wodurch auch Tumorwachstum bzw. die Angiogenese vermindert werden können (vgl. Indikationen für Everolimus). Der gleichzeitige Einsatz von einem Calcineurininhibitor und mTOR-Inhibitor ist auf Grund der unterschiedlichen Mechanismen der Immunsuppression synergistisch.
Nach oraler Gabe werden Immunsuppressiva rasch mit maximalen Blutkonzentrationen innerhalb von ca. 2 Stunden resorbiert. Gleichzeitige Einnahme mit Nahrungsmitteln kann einen relevanten Einfluss auf die Resorption und Pharmakokinetik haben. Die klinisch relevanten Details zu Pharmakokinetik, Wirkspiegel und Metabolismus sind in Tabelle 1 dargelegt.
Wirkstoff | Therapeutischer Bereich | Eliminations-Halbwertzeit | Frühester Zeitpunkt des Steady State | Hauptenzyme des Stoffwechsels (inklusive Metabolite) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Cyclosporin A | C0: 50 - 350 µg/l* | 4 - 25 h | 2 - 5 d** | CYP3A4 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
(Ciclosporin) | C2: 400 - 1200 µg/l* | 4 - 25 h | 2 - 5 d** | CYP3A4 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Everolimus | 3 - 15 µg/l | 24 - 30 h | 5 - 6 d** | CYP3A4 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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* | C0: Talspiegel, C2: Spitzenspiegel |
** | Die Halbwertszeiten variieren individuell u.a. auch indikationsabhängig. Bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfuktion können die angegebenen Zeiten deutlich verlängert sein. |
Wegen der engen therapeutischen Breite sind Arzneimittelinteraktionen von wesentlicher Bedeutung. Cyclosporin A, Everolimus, Sirolimus und Tacrolimus werden in erster Linie durch CYP3A4/5 metabolisiert und durch MDR-1 (auch P-Glycoprotein (P-gp) oder ABCB1 genannt) transportiert. Klinisch relevante Veränderungen des Wirkspiegels werden daher vor allem durch folgende Interaktionspartner verursacht:
Mycophenolsäure wird hauptsächlich nach Glucuronidierung (vor allem durch UGT1A9) direkt ausgeschieden. Relevante Interaktionen mit bekannten Glucuronosyltransferase Inhibitoren oder Induktoren wie z. B. Lamotrigin, Ethinylestradiol oder Valproinsäure konnten bisher nicht identifiziert werden. Mycophenolsäure unterliegt allerdings einem hohen enterohepatischen Kreislauf, so dass z. B. Colestyramin den Wirkspiegel relevant senken kann.
Pharmakodynamisch können nephrotoxische Wirkungen durch Wirkstoffe, die die renale Durchblutung oder Funktion verändern wie z.B. ACE-Hemmer/ Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten, NSAR, Schleifen- und Thiaziddiuretika, aber auch Vancomycin oder Aminoglycoside gesteigert werden.
Insbesondere Cyclosporin A verursacht pharmakokinetische Interaktionen durch seine hemmende Wirkung auf MDR-1, CYP3A4 und OATP. Dies betrifft mit hoher klinischer Relevanz Statine, Digoxin und Colchicin, sowie verschiedene Zytostatika (z.B. Bosentan, Doxorubicin, Etoposid und weitere).
Pharmakogenetische Einflüsse auf Immunsuppressiva sind auf Ebene von CYP3A4/5 und MDR-1 möglich, jedoch im Allgemeinen eher von untergeordneter Bedeutung. Für CYP3A4/5 sind mehrere genetische Varianten beschrieben, die eine verminderte Funktion bedingen, aber nur wenige dieser Varianten, wie z.B. CYP3A4*22, zeigen eine Allelfrequenz, die bei über 0,1% der Bevölkerung eine klinisch relevante Einschränkung des Metabolismus erwarten lässt. Genetische Varianten, die eine Aktivitätssteigerung von CYP3A4/5 bedingen sind hingegen meist nur als seltene (individuelle) Mutation zu finden. Ebenso sind pharmakogenetische Varianten für MDR-1 eher selten und stets nur im Kontext individueller Wirkspiegel Befunde zu betrachten.
Die Bewertung von Wirkstoffspiegeln beinhaltet sowohl die Interpretation der Konzentrationen in Bezug auf den empfohlenen therapeutischen Bereich, als auch die Beurteilung der applizierten Dosis, der Begleitmedikation und weiterer Erkrankungen. Um die dafür notwendigen Informationen zu erhalten, bitten wir Sie deshalb, den speziellen Anforderungsschein für Medikamentenspiegelbestimmungen zu verwenden.
Methodenbedingt werden Cyclosporin A, Everolimus, Sirolimus und Tacrolimus in einem diagnostischen Lauf bestimmt. Dies gibt uns die Möglichkeit, Ihnen weiterführende Angaben (ohne zusätzliche Berechnung) geben zu können
Die Medikamentenspiegelbestimmung ist im kurativen Fall ohne Einschränkung im Leistungsspektrum des EBM und der GOÄ enthalten. Pharmakogenetische Untersuchungen werden von privaten und bei einigen Indikationen (siehe Anforderungsschein Medikamentenspiegelbestimmung/ Pharmakogenetik) auch von gesetzlichen Kassen getragen.
Die Verteilung zwischen Plasma und Erythrozyten ist für Immunsuppressiva stark temperaturabhängig, weshalb nur die Messung von Vollblutproben sinnvoll ist. Es werden 0,5 ml EDTA-Blut, gekühlt sowie lichtgeschützt aufbewahrt und transportiert, benötigt. Die Blutentnahme sollte direkt vor erneuter Medikamenteinnahme im Talspiegel (C0-Spiegel) erfolgen. Bei Cyclosporin A ist alternativ auch eine Bestimmung des Spitzenspiegels (C2-Spiegel) möglich, die Blutabnahme sollte dann 2 Stunden nach der letzten Einnahme erfolgen (Bitte auf dem Anforderungsschein vermerken). Die Referenzbereiche sind in diesem Fall deutlich höher.
Pharmakogenetik: EDTA-Blut oder Schleimhautabstric
Ihre Ansprechpartner für die Wirkstoffbestimmung und pharmakologische Bewertung:
Literatur
Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Leif Gerrit Hommers
Stand
Juni 2018