Der Missbrauch von Drogen und Medikamenten ist ein leider nicht zu unterschätzendes Problem im Rahmen der Patientenbetreuung, der Fahrtauglichkeitsuntersuchung, der Substitutionstherapie oder bei forensischen Fragestellungen. Die Labormedizin kann hier wichtige diagnostische Hinweise geben. Missbrauchsrelevante Substanzen können in verschiedensten humanen Materialien nachgewiesen werden. Gebräuchlichste Materialien sind Urin und Blut. Die venöse Blutentnahme ist aber insbesondere bei Drogenabhängigen stark eingeschränkt bis unmöglich. Aufgrund der längeren Nachweisbarkeit und der nichtinvasiven Gewinnung ist deshalb der Spontanurin das Material der Wahl.
Der Gebrauch von missbrauchsrelevanten Substanzen ist sozial geächtet. Deshalb versucht der Patient häufig, dies zu verschleiern. Urin ist dabei, anders als Blut, stark manipulierbar. Aus diesem Grund kommt dem Identitätsnachweis der eingesandten Urinprobe eine große Bedeutung zu.
1. Eigene Probe
Die eigene Urinprobe kann durch Zusatz von Wasser oder Fremdurin verdünnt werden. Ziel ist es, die Menge einer nachzuweisenden Substanz so stark zu verringern, dass ein Nachweis im Labor nicht mehr gelingt. Eine weitere Möglichkeit ist das Versetzen des eigenen Urins mit Chemikalien, Säften, Seifen u. a. m. um die Laborteste so zu stören, dass kein verwertbares Ergebnis erzielt werden kann.
2. Fremdprobe
Im Internet ist es problemlos möglich, CleanUrin, d. h. von Drogen und Medikamenten freien Urin, zu kaufen.
1. Sichtkontrolle
Die Sichtkontrolle bei der Uringewinnung wäre die einfachste Möglichkeit, einer Probenmanipulation Einhalt zu gebieten. Diese ist aber sehr personalintensiv und stößt auch schnell an Grenzen der Zumutbarkeit des Personals. Darüber hinaus sind im Internet auch Hilfsmittel verfügbar, die nur bei genauester Beobachtung des Patienten einen Missbrauch ausschließen.
2. Qualitätssichernde Maßnahmen im Labor
Im Labor wird routinemäßig eine eventuelle Verdünnung des Urins und der Zusatz von Substanzen, die die diagnostischen Teste stören, geprüft. Im Falle von Auffälligkeiten wird dem Zuweiser mitgeteilt, dass eine Probenmanipulation stattgefunden hat.
Patienten, die Ihre Abhängigkeit oder den Missbrauch erkannt haben und diesen bekämpfen wollen, manipulieren Ihre Probe nicht. Dort wo forensische Fragestellungen, die weitere Teilnahme an Therapieprogrammen (z. B. Methadonprogramm), Scham oder soziale Probleme im Vordergrund stehen, besteht auch die Gefahr der Probenmanipulation, die durch die vorgenannten bekannten Maßnahmen zur Identitätssicherung nicht mehr erkannt werden. In untenstehender Tabelle 1 sind weitere Möglichkeiten aufgeführt.
Material | Vorteile | Einschränkungen | Weitere Bemerkung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kapillarblut-analyse | Kapillarblut | Wenig Probenmaterial, Gleiche Aussage wie venöses Blut, einfach handhabbar, sichere Ergebnisse, quantitative Analytik, keine Einschränkung bei der Abrechnung GKV/PKV | invasiv | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
RUMA | Urin | Weitgehend sichere Ergebnisse, nicht invasiv | Überzeugung des Patienten zur Einnahme einer Markersubstanz erforderlich, teilweise grenzwertige Ergebnisse, unklare Abrechnung GKV | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Mikrosatelliten-analyse | Wangenabstrich + Urin | Sichere Ergebnisse | Probeninstabilität, unklare Abrechnung GKV | Zustimmung des Patienten nach GenDG erforderlich | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Kapillarblut bildet 1:1 die Situation im venösen Blut ab und ist leicht von der MFA zu gewinnen. Die Schwierigkeiten der venösen Blutentnahme bei Drogenabhängigen werden vermieden. Es entstehen keine Zusatzkosten.
Die RUMA Diagnostik ist seit einigen Jahren insbesondere im Strafvollzug eine nichtinvasive, gerichtsfeste Möglichkeit, um eine Probenmanipulation aufzudecken. Der Patient schluckt eine flüssige Substanz oder eine Kapsel, die Polyethylenglykole enthält. Diese sind inert und werden unverändert über die Niere wieder ausgeschieden. Es sind verschiedene Markersubstanzen verfügbar. Weder Proband noch Arzt wissen, welcher der Marker gerade verabreicht wurde. Die RUMA Diagnostik setzt aber die Bereitschaft des Patienten, eine inerte Substanz zu schlucken, voraus.
Mit der Speichelanalytik haben wir schon einige Jahre Erfahrungen im Hormonbereich (Estradiol, Cortisol, Cortison, DHEA, Progesteron, Melatonin, Estriol, Testosteron) gesammelt. Der Nachweis von Drogen im Speichel ist aber – anders als die Untersuchung der vorgenannten Hormone – nicht unsere empfohlene Methode.
Mit Hilfe der Mikrosatellitenanalyse, die einen einmaligen Wangenabstrich mit der im Urin vorhanden DNA vergleicht, lässt sich elegant eine Identitätssicherung vornehmen. Inwieweit sich dies im Bereich der GKV abrechnen lässt, ist unklar. In jedem Fall sind aber die Regelungen des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) bei Untersuchungen von menschlichen Spuren zu berücksichtigen. Ohne das Wissen und die Einwilligung der zu testenden Personen dürfen keine DNA-Profile erstellt werden. Eine Aussage über die Identität einer betroffenen Person lässt sich nur mit dem jeweiligen Einverständnis treffen.
In Beurteilung der vorgenannten Möglichkeiten präferieren wir im IHP Berlin die Kapillarblutentnahme. Die minimal invasive Kapillarblutentnahme erfolgt bei Verdachtsmomenten unangekündigt zwischen den normalen Urinkontrollen und gibt damit dem behandelnden Arzt bei Patienten mit eingeschränkter Compliance ein Kontrollinstrument in die Hand. Die RUMA Diagnostik bleibt einigen Spezialanwendungen z. B. im Strafvollzug vorbehalten. Diese Analytik wird von unserem Partnerlabor IFLb durchgeführt.
Literatur
Autoren
Dr. Frank-Peter Schmidt (IHP Institut für Hämostaseologie und Pharmakologie MVZ GmbH)
Annett Jainz (IHP Institut für Hämostaseologie und Pharmakologie MVZ GmbH)
Stand
Juli 2025